Leseprobe: Leo – ein Leben im Löwenblues

Das erste Mal …:
“ Sech-Zig, Sechzig-Sechzig!“
Zum ersten Mal in seinem gerade einmal 11 Jahre jungen Leben vernahm er live diesen magischen Sound, der sich tausendfach besser anhörte als das tröge Baaaayern an gleicher Stätte nur drei Monate zuvor. …
Sechzig-Sechzig-Sechzig … Ein Klang, der jeden – ob gewollt oder ungewollt – mitriss, mittrug in die Gemeinschaft der Löwen, der den Gegner einschüchterte und entmutigte. Leider nicht allzu selten auch die eigene Elf! Ein Sound, der einem bis ins tiefste Fan-Knochenmark ging.
… Auch Leo war jetzt endgültig verloren, er hatte einen Teil von sich aufgegeben und war von nun an ein Löwenjunkie, einmal Löwe – immer Löwe!“ (S.31)
Stark wie noch nie!?
War hier der Wunsch Vater des Löwenfan-Gedanken? War es dieses unstillbare Sehnen nach sportlicher Gleichmachtstellung zum FCB, eine Gier nach eigener Stärke? War es diese Jahr für Jahr im Juni/Juli (spielfreie Zeit) aufboomende neue Aufbruchstimmung, die spätestens im Oktober der routinierten Resignation zu weichen hatte? Oder waren sie nicht wirklich stark, echte Könige der Vereinsanhängerwelt in Deutschland eben, es im großen Schatten der Unausstehlichen, Unaussprechlichen, der Dusel-Bauern halt, über so viele Jahre der Unterlegenheit, Erniedrigung, manchmal auch Selbstverleugnung hinweg in dieser beispiellosen Vereinstreue überlebt und überstanden zu haben? (S.45)
Löwenwitz:
Ein Löwenfan hat bei einer Alkoholkontrolle nie Probleme. Fragt ihn der Polizist, wann und wie oft er trinke, antwortet er nur:“Jedes Mal, wenn 60 gewonnen hat.“
Worauf der Wachtmeister grinsend meint: „Fahr zu!“
(frei nach Otti Fischer)
Bielefeld 1977:
“ Als Wolfbauer aber plötzlich davon sprach, dass diese Löwenelf, die Hartmann, Agatha, Hartwig, Kohlhäufl, Glavovic (Mister gelbes Karton!), Bierofka, Nielsen, Haunstein, Metzger, Falter und Nachrainer wie im Rausch spiele (dies kam im negativen Sinne oft genug vor!) und das Wunder von München nach der Schmach von Bielefeld endgültig perfekt gemacht habe, da geschah etwas, was das verschlafene Civate mit seinem kleinen See, dem Lago d’Annone, seinen vier Ferienbungalows (mehr gab es nicht!), seinem Tante Emma Laden, in dem man selbst als deutscher Tourist zwei Wochen lang anschreiben lassen durfte, noch nie erlebt hatte und wohl nie wieder erlebt haben dürfte:
Leo brüllte, Leo schrie, Leo tanzte, Leo stürzte ins Wasser, Leo schwamm sich frei und mit ihm versanken alle Resignationen und Frustrationen der vergangenen sieben Jahre.“    (S.18)

Löwenblues …
„Liebe Bayernfans,
wie gerne würden wir Löwenfans euch Roten noch viel häufiger diesen Blues gönnen, den ihr vielleicht einmal als sanften Hauch einer Erfahrung in Barcelona 1999 (ManUs späte Tore!) erahnen durftet und der euch vom wahren Fanleben so weit trennt wie Irak vom Iran, Nord-von Südkorea.
Nein, ihr kennt ihn nicht wirklich, den Blues. Eure Welt sind Techno und HipHop. Der schnelle Erfolg. Zum Mitschreien. Zum Abtörnen. 24-Millionen-Einkäufe bei Misserfolg. Ihr Bedauernswerten, Kunden im bayerischen Staatszirkus des surrealen Dauererfolges. Ihr werdet ihn nie haben, den Löwenblues. Der stark macht. Stark in aller Schwachheit. Stark in der Treue. Stark wie noch nie.
Stark in der Hoffnung. Stark im Aushalten, Ertragen, Erleiden, Erleben. Blaue lieben ihn und hassen ihn, den Löwenblues. “     (S.67)
So war es damals Samstags, 18 Uhr
“ Was war das doch für eine besinnliche und beschauliche Zeit gewesen, die allerdings im Zeichen des steten Kampfes um die Pole Position bei gerade mal drei TV-Kanälen und einem einzigen (!!!) Fernsehgerät stand. Jeden Samstag galt es aufs Neue, den einsamen Kampf des Fußballfreaks um das Privileg des Sportschausehens gegen die innerfamiliäre Konkurrenz der Fans von schielenden Daktarilöwen (Clarence), Stationsaffen (Judy?) und Urwalddoktoren (Thompson) zu bestehen. Jeden Sonntag das gleiche Ritual, nur diesmal im ungleichen Duell mit anfänglichen Ponderosa-Cowboys (Bonanza), Shiloh Ranchern, Rauchenden Colts (wer erinnert sich nicht gern an Festus Hagan?) und späteren Weltraumeroberern (Enterprise).“  (S.25)
Sammelleidenschaft …
„Leo sammelte über 7 Jahre hinweg alle (!) Zeitungsausschnitte über die Löwen, was phasenweise zu einem nicht unerheblichen Rückgang seines Süßigkeitenkonsums aufgrund der wöchentlichen Belastungen mit Kicker (Montag, Donnerstag), dem guten alten Sportkurier (Montag, Mittwoch), der AZ, TZ und dem Münchner Merkur (Montag, Samstag) führte. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass sich Leo seine schlanke Figur aufgrund seiner innigen Verbindung zum TSV 1860 erarbeitete und der daraus resultierende suchthafte Pressekonsum zumindest keine körperlichen Langzeitfolgen bewirkte, sondern ganz im Gegenteil ein intensiver Beitrag zu einer Mars-, Milkyway-, Nuts-, Snickers- oder Riderfreien Ernährung war.“                      (S.23)

Das „Hauptspiel“ im Buch:
60 – Saarbrücken, Mai 2006
Noch einmal schlugen die Mannen aus der Heimat des Polithasardeurs Lafontaine das in asiatischer Massenproduktion hergestellte Spielgerät kerzenhaft in den Strafraum der Löwen. Trotz einiger baumlanger Kerle in der Innenverteidigung waren es insbesondere solche einfallslosen Langstandards, die 1860 immer wieder in entscheidenden Spielen in die Suppe gespuckt hatten, weil einer dieser baumlangen Abwehrrecken beweglich wie eine deutsche Eiche entweder den Kopf eingezogen, sich auf den vermeintlichen Teamkollegen verlassen hatte, der sich im nachhinein dummerweise als gegnerischer Mittelstürmer entpuppt hatte oder den Ball zentimetergenau in die Mitte bugsiert hatte, wo ein dankbarer Abnehmer der anderen schon zum wuchtigen Direktschuss in den Winkel postiert war. Mindestens drei Tore des Monats in der ARD wurden durchschnittlich pro Saison so gegen 60 erzielt.“     (S.70)
Dreamer
(von der Heimat im GWS)
Take the long way home (Supertramp)
… when lonely days turn to lonely nights you take a trip to the city lights (of Giesings Höhen!) and take the long way home, take the long way home. You never see what you want to see (Los aller Löwenfans!) forever playing for the gallery you take the long way home … And when you’re up on the stage it’s so unbelievable, so unforgettable, how they adore you!“ (S.112)

Tom Coolen …(aus dem ESVK-Kapitel)
Trainer Coolen, bereits nach zwei (!) Spieltagen vom gefeierten zum fired Man geschrumpft und von Leo pressemäßig aus der Schusslinie genommen, verspürte im November des Jahres 1997 das tiefe Bedürfnis, endlich mal im stimmungsvollen (Ironie!) Olympiastadion ein Livespiel der Löwen miterleben zu dürfen. Leo hatte die Partie gegen Rapid Wien wärmstens empfohlen, den mittlerweile zum Assistant Coach bei Team Canada aufgestiegenen Coolen im Memminger Teamhotel während des Deutschlandcups abgeholt und war mit „Fucking bullshit man“ (pro Spiel von Coolen ca. 1860mal zur Motivierung seiner Cracks aufs Eis gerufen!) from New Brunswick, Canada nach Munich,Bavaria getravelt.                 (S.60)
Wie diese Episode endete, lest ihr im Löwenleo!